Gerhart Barthold, einer der ältesten Grünaer

Gerhart Barthold, einer der ältesten Grünaer, erzählt über sein Leben

„Dr Bäckschmiedbohrer“, wie er scherzhalft genannt wird, ist fast 97 Jahre alt – und so lange lebt er schon in Grüna, wenn man die 4 Jahre als Soldat im Weltkrieg und danach in französischer Gefangenschaft einmal nicht betrachtet. Freiwillig war er die Jahre dort jedenfalls nicht …

Und der Name „Bäckschmiedbohrer“ erklärt sich aus seiner Geschichte: Am 16. Mai 2026 wurde er in der Chemnitzer Str. 154 geboren. Jetzt wohnt er 3 Häuser weiter in der Chemnitzer Straße 133a. Er kam in Grüna in die Schule und lernte seinen ersten Beruf in Mittelbach bei einem „Bäck“. Die Umstände ergaben, dass er nach seiner Gefangenschaft noch einmal umschulte, beim Wünsch-Schmied im Nachbarhaus. Da Gerhart aber auch Bäcker war und der Lorenz-Bäcker gleich im Nebenhaus der Schmiede sein Geschäft hatte, hat Gerhart dort auch öfter ausgeholfen. Gerhard ging noch einmal für ¼ Jahr in eine Wüstenbrander Schmiede. Dann war Schluss! Er wurde „Bohrer“, beim VEB Spinn und Zwirn im damaligen Karl-Marx-Stadt. Und dort blieb er 40 Jahre bis zur Rente im Jahr 1990. Da wusste er, wo er hingehört!

 

Gerhart Bartholt als Schulanfänger und als Matrose

Nicht weit herumgekommen? Wir werden sehen!

Da war zunächst der 2 Weltkrieg. Nach einer kurzen Zeit als Bäcker in Mittelbach, kaum 18 Jahre alt, wurde er eigezogen, zur Marine. Weil Deutschland aber fast alle Überwasseraktionen einstellte, ging es an die Front. Aber nicht lange, er wurde verwundet und geriet er in französische Gefangenschaft, in der er fast 4 Jahre verblieb, in der letzten Zeit schon mit weitgehender persönlicher Freiheit. Viele in den 10-er und 20-er Jahren des vorigen Jahrhunderts geborene Männer haben diesen verheerenden Krieg nicht überlebt, so auch Gerharts Bruder Hans.

Verheiratet war Gerhart auch. Mit seiner Frau Luise hatte er 4 Kinder, die noch lebenden 3 sorgen ständig für ihn. Und in den Urlauben ging es in die Welt. Reisen nach Österreich, Spanien, Italien, Schweiz, Schottland, Polen, Russland, 2 Schiffsreisen – das sind nur einige seiner Erlebnisse.

Aber auch Schicksalsschläge blieben nicht aus. 1994 musste er sich von seiner Frau verabschieden. 39 Jahre waren sie verheiratet, als sie starb. Und genauso schlimm war der Tod seine Sohnes Steffen, der mit 27 Jahren tödlich verunglückte (wir haben gespürt, wie es noch heute weh tut, als das Gespräch auf seine Familie kam).

Gerhart mit Sohn, Schwiegertochter und Enkel

Nach dem Tod der Ehefrau hatte Gerhart noch eine Partnerin. Zusammen gezogen sind sie nicht, aber Gerhart hat sie täglich besucht, solange es noch ging zu Fuß. Auch im Pflegeheim. Dann halfen Kinder und Schwiegerkinder mit dem Fahren. Aber auch diese Partnerin ist jetzt mit 93 Jahren verstorben.

An eines denkt Gerhart noch voller Stolz zurück. Das ist der Sport. Schon als 10-Jähriger spielte er Fußball, nach der französischen Gefangenschaft dann aktiv in der Männermannschaft, unter den Trainern Weggel-Gust und Unger-Brun spielte er mit der Grünaer Mannschaft in der Bezirksliga, damals die vierthöchste Liga der DDR. Noch mit 65 Jahren spielte er in der Alte-Herren-Mannschaft.

2. Grünaer Fußballmannschaft (G. Bartholt hintere Reihe links)

Grünaer Alt-Herren-Mannschaft (G. Bartholt Zweiter von rechts)

In seinem Betrieb Spinn-und-Zwirn hat er eine Fußballmannschaft aufgebaut und dort auch 3 Jahre gespielt.

Fußballmannschaft von „Spinn und Zwirn“ (G. Bartholt Fünfter von links)

Sportlich aktiv war er bis zum Alter von 72 auch als Cross-Läufer beim Stausee-, Adelsberg- oder Heidelberglauf. Oft gewann er in seiner Altersgruppe, kam aber meist unter den ersten 5 ein. Bei seinem letzten Heidelberglauf in Wüstenbrand wurde er als ältester Läufer mit 72 Jahren ausgezeichnet. Und auch Skifahren betrieb er mit Leidenschaft. Erst im Alter von 80 legte er seine Langlaufskier ab.

1980 beim Stauseelauf

Ein weiteres Hobby ist noch zu erwähnen: Motorradfahren. Schon Anfang der 50er Jahre hatte er eine JAWA. Nicht mit Sitzbank, sondern mit erhöhtem Sozis-Sitz! Und er ist gefahren, bis es altersmäßig leider nicht mehr ging.

Mit Ehefrau auf seiner JAWA

Gerhart ist jetzt fast 97 Jahre alt. Ihm tut nichts weh, wenn er ins Bett geht. Und nichts, wenn er aufsteht. Seine Gedanken sind klar. Das, sagt er, ist die Hauptsache. So kann man auch 100 Jahre alt werden. Er führt, so sagt er „ein normales Leben.“

Gerhard lebt nach wie vor in dem Haus, das sein Vater 1932 gebaut hat. Kurze Wege wie zur Sparkasse oder zum Netto-Bäcker erledigt er selbst, langsam, aber ohne Gehhilfe. Aus drei Schlaganfällen hat er sich hartnäckig wieder fit gekämpft. Den Pflegedienst zur Medikamentenkontrolle nimmt er gern in Anspruch.

Und mit der Essensversorgung durch die Volkssolidarität ist er sehr zufrieden. Die kommen sogar sonntags. Glücklich ist er, wenn er an seine „Kinder“ denkt. Das älteste ist inzwischen längst Rentner, aber sie kommen ständig, um ihn zu versorgen. Regine, Hannelore und Frank – auf die lässt er nichts kommen.

Und noch zu erwähnen ist, dass er ständig die Zeitung liest (Sport, Unfälle – aber keine Politik mehr). Und nach dem abendlichen Bier und der Fernsehsendung geht es – ohne Schmerzen – ins Bett. Hoffentlich noch lange, lieber Gerhard.

Wir haben bei unserem Besuch einen vitalen alten Grünaer erlebt, der viel über fast ein ganzes Jahrhundert zu erzählen weiß, viel erlebt hat. Wir wünschen ihm und uns, dass wir in reichlich 3 Jahren auch noch seinen 100. Geburtstag feiern können.

Bernd Hübler und Ulrich Semmler

Dieser Artikel stammt aus dem Ortschaftsanzeiger Grüna / Mittelbach April 2023

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