1895 Alten und Pflegeheim "Am Wald"

Alten- und Pflegeheim „Am Wald“

(anläßlich seines 125jährigen Bestehens 2018)

Teil 2 1895 - 1913

Nachfolgend wird der im Ortschaftsanzeiger Heft 3/2018 erschienene Beitrag über das „Leben und Wirken Stahringers und die Errichtung seiner Naturheilanstalt 1892/93“ fortgesetzt. Er befasst sich mit der weiteren Entwicklung seiner Naturheilanstalt ab 1895 bis zum wirtschaftlichen Ende 1913.

Im letzten Ortschaftsanzeiger wurde über die überaus erfolgreiche Entwicklung von Stahringers Naturheilanstalt berichtet, die schon wenige Jahre nach ihrer Errichtung und Eröffnung 1892/93 stattfand. Die Naturheilanstalt, verbunden mit dem Namen Stahringer, hatte Jahr für Jahr an Anziehungskraft gewonnen und war immer bekannter geworden. Ihre Zahl an Besuchern und Kurgästen stieg ständig. Zeitweise mussten die Kurgäste sogar in den umliegenden Häusern des Ortes oder im Wohnhaus Stahringers (bis 1897 als Schützenhaus, ab 1898 mit Restaurant und als „Bad Grüna“ bezeichnet) untergebracht werden.

Die überaus positive Entwicklung verdankte Stahringer in erster Linie seinen außerordentlichen Heilerfolgen, die er schon vor der Errichtung der Anstalt in Grüna durch sein Geschick und Können in Burgstädt und Chemnitz erzielen konnte, sowie seiner wirtschaftlichen Betriebsführung. Hinzu kam in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine erneute Belebung der Naturheilbewegung verbunden mit einer Zunahme an Anhängern vor allem in den größeren Städten. Die Mehrzahl der Bürger akzeptierte die naturgemäße Behandlungsweise.

Das Verbot von Stahringers Naturheiltätigkeit

Die glänzende Entwicklung jedoch währte nicht allzu lange. Bereits zu Jahresbeginn 1896 und von den meisten außenstehenden Bürgern im Ort unbemerkt, wurde Stahringer - so geht aus den Tagebuchaufzeichnungen hervor - „auf Veranlassung der praktizierenden Ärzte“ und „aufgrund eines schnell eingebrachten und durchgepeitschten Gesetzes“ die Behandlung seiner Patienten in seiner Anstalt verboten. Welche eindeutigen Gründe dafür vorgelegen haben mögen und von welcher gerichtlichen Behörde konnte bisher nicht ermittelt, ein konkretes Dokument hierzu noch nicht ausfindig gemacht werden.

Die Entwicklung erfolgte in einer Zeit, in welcher unter den verschiedenen Heilmedizinern ein erbitterter Glaubenskrieg und Streit über die richtigen Behandlungsmethoden und Heiltherapien geführt wurde. Die studierte Ärzteschaft (Vertreter der wissenschaftlich arbeitenden Medizin, begrifflich ab 1900 auch als „Schulmedizin“ bezeichnet) warf den Naturheilpraktikern mangelnde Kenntnisse vor und „unwissenschaftlich“ zu arbeiten.

Zwischen beiden Richtungen der Medizin hatte die Auseinandersetzung im Jahre 1895 weiter an Schärfe zugenommen. Die Tätigkeit der Naturheilkundler wurde von einem Teil der Schulmediziner sogar als „Kurpfuscherei“ bezeichnet und bekämpft. Gleichzeitig stieg der Einfluss der organisierten Ärzteschaft in Regierungskreisen und auf die gesetzgebenden Organe, obwohl noch eine gewisse Gewerbe- und Kurierfreiheit herrschte und es noch keine Ärzteordnung gab.

Man kann annehmen, dass Tätigkeit und Erfolge Stahringers von den studierten Medizinern zunehmend mit Argwohn und einem gewissen Konkurrenzneid beobachtet wurden und möglicherweise entsprechende Maßnahmen über die Gerichte ausgelöst wurden. Stahringer selbst war wie die meisten Naturheilkundler kein studierter Arzt und hatte nur eine Prüfung vor Ärzten abgelegt. Er musste fortan studierte Ärzte in seinem eigenen Haus einstellen und durfte keinen Einfluss mehr auf die Heiltätigkeit nehmen.

Die weitere Entwicklung der Naturheilanstalt nach dem Verbot Stahringers Heiltätigkeit

Stahringer ließ sich durch diesen Schritt nicht entmutigen, ergänzte und baute in den folgenden Jahren seine Naturheilanstalt weiter aus. Ab 1. März 1896 wurde Dr. med. Bilfinger eingestellt. Nach dessen Abgang Ende Dezember 1896 übernahmen zwei studierte Ärzte, Dr. Ottmer und Dr. Schultze, die ärztliche Leitung. Es waren nach Stahringers Einschätzung ausgezeichnete Ärzte. Die Besucherzahl stieg weiter an. Sie erreichte Höhen, dass sogar Patienten im Dorf untergebracht werden mussten.



Lufthüttenpark "Eldorado"

1896 ließ Stahringer direkt am Wald die sog. Lufthüttenkolonie „Eldorado“ mit acht kleinen Häuschen und einer Liegehalle errichten. Das Freiluftbad mit Sonnenbadeeinrichtung und einer Wasserleitung zum Duschen wurde am 17. Mai d.J. eingeweiht. Die damals dort durchgeführte Freikörperkultur fand jedoch – so wird berichtet - nicht bei allen Einwohner in Grüna Verständnis, ebenso nicht ihr spanische Name „Eldorado.“ Ein Jahr später wurde der Lufthüttenpark durch ein angrenzendes kleineres Damen-Luftbad ergänzt.

Im gleichen Jahr kaufte Stahringer im unteren Ortsteil Grüna das Gelände am Wiesenmühlenteich und ließ das dort bereits vorhandene Bad zum Volksbad „Annastift“ (benannt nach seiner Frau Anna) weiter ausbauen. Als Einweihungstermin wird in der Jahreschronik von Grüna der 2. August 1896 genannt, während in einer Grünaer Zeitung zur Eröffnung der 1. Juni 1897 angegeben wurde.

Im folgenden Jahre 1897 war die obere Eisenbahnlinie von Wüstenbrand nach Limbach fertiggestellt und eröffnet worden. Die schon seit längerer Zeit stillgelegte, aber heute noch z. Teil vorhandene Eisenbahnstrecke führte am Waldrand durch eine längere Brücke direkt über die Grundstücke der Naturheilanstalt. Möglicherweise daraus entstandene Probleme wurden bisher nicht bekannt.

1897 beendete man das Schießen am Schützenhaus und schloss den bisherigen Schießstand hinter dem Gebäude, da die Schießübungen für den Kurbetrieb zu laut waren. Im Juli des Vorjahres fand das letzte Schützenfest der Scheibenschützengesellschaft im alten Schützenhaus statt. Der Verein musste in ein neues Heim an der Mittelbacher Straße umziehen. Das bisherige Schützenhaus wurde im Jahr 1898 darauf in Restaurant „Bad Grüna“ umbenannt.

1899 wird von einem Plan der Errichtung einer neuen Naturheilanstalt berichtet. Es erfolgten größere Um- und Anbauten. Das Kurhaus der Anstalt wurde durch Aufsetzen eines weiteren Stockwerkes erhöht.

Umbenennung Stahringers Naturheilanstalt zum Sanatorium „Bad Grüna“

Nachdem Stahringer Anfang 1986 die Behandlung seiner Patienten verboten wurde, erfolgte um 1900 ein weiterer Schritt gegen ihn. Stahringer musste aufgrund neuer Bestimmungen auch seine Naturheilanstalt umbenennen. Sein Name durfte nicht mehr in Erscheinung treten. Ein konkretes Dokument konnte auch hierzu bisher nicht gefunden werden. Bereits vorher hatte Stahringer die Bezeichnung seiner Naturheilanstalt in „Stahringers Sanatorium“ abgeändert. Sie wurde von ihm bis etwa 1900 beibehalten.  Das jedoch genügte nicht. Die neue Bezeichnung sollte künftig Sanatorium „Bad Grüna“ lauten.


Es wird berichtet, dass Stahringer von der studierten Ärzteschaft angedroht wurde, „wenn.sein Name wieder erscheint, würden sie keine Patienten mehr nach Grüna empfehlen.“Mit der neuen Bezeichnung wurde unser Heimatort zum „Bad Grüna“ (als Luftbad) erklärt, was damals in vielen gedruckten Ansichtskarten zum Ausdruck kam. Stahringer wurde nahezu zur gleichen Zeit in seinem Grundbuchauszug als enteignet eingetragen!

In den folgenden Jahren versuchte man Stahringers Wirken auch als Vorsitzender des Naturheilvereines einzuschränken. So erhielt der damalige Grünaer Gemeindevorsteher Börner zu Jahresanfang 1902 vom Ehrenrat des Ehrengerichts über Stabs-, Ober- und Assistenzärzte bei der 8. Division aus Halle/Saale ein Schreiben mit der Anfrage, ob sich Stahringer nach dem 1.1.1998 in Vorträgen über naturgemäße Behandlung von Krankheiten „absprechend“ (gemeint ist abwertend) über die ärztliche Wissenschaft oder über den ärztlichen Stand geäußert hat. Man verlangte von dem Vorstand der Gemeinde dazu die Nennung und Vernehmung von Personen, die die Vorträge von Stahringer gehört hatten bzw. deren Inhalt kannten.

Der Gemeindevorstand und 15 Mitglieder des Grünaer Naturheilvereines mussten darauf kurzfristig bis Mitte Februar 1902 schriftlichen Rede und Antwort geben, bestätigt durch die Unterschrift des Gemeindevorstandes. Ziel war, einen weiteren Anlass zu finden, die Tätigkeit Stahringers endgültig zu verbieten. Stahringer hatte jedoch sehr viel Rückhalt im Gemeindevorstand und bei den Vereinsmitgliedern. Alle befragten Personen gaben an, dass sich Stahringer „niemals“ in Vorträgen negativ zum Stand der Ärztewissenschaft geäußert hat.

Obwohl die Drohung dieser Ärztegesellschaft ins Leere ging, ließ Stahringer nach wenigen Tagen aufgrund geistiger Überlastung und Erschöpfung (nach Angabe seines Sohnes Fritz Stahringer) seine Naturheilanstalt am 19.2.1902 in eine Aktiengesellschaft mit der Bezeichnung „Sanatorium Bad Grüna i. Sachsen GmbH“ umwandeln.

Die Übernahme erfolgte am 1. April 1902. Aufsichtsratsvorsitzender in der neugebildeten Aktiengesellschaft war Wilhelm Reppert, der den Vorsitz im 1. Chemnitzer Naturheilverein vier Jahre zuvor abgegeben hatte. Weitere Aktienteilhaber waren Grünaer Bürger aus dem örtlichen Naturheilverein sowie Mitglieder des 1.Chemnitzer Naturheilvereines. Neuer Geschäftsführer wurde Richard Schenk, während die ärztliche Behandlungen nach wie vor von den bisherigen Ärzten Dr Ottmer und Dr. Schulze vorgenommen wurden.

Nach Bildung der Aktiengesellschaft verließ Stahringer Grüna und zog nach Rabenstein. Trotz des Abgangs Stahringers hielt zunächst der Zustrom an Kurgästen im Jahre 1903 unvermindert an. Der Ruf Stahringers war so gut, dass in dem genannten Jahre nochmals eine hohe Zahl von über 1500 Kurgästen die Naturheilanstalt besuchten.

Im Jahre 1904 nach Beendigung ihres „Kontraktes“ verließen die beiden ausgezeichneten Ärzte Dr. Ottmer und Dr. Schultze das Sanatorium - wie es hieß - um sich selbständig zu machen.

Die beiden Ärzte wurden durch einen neuen Arzt Dr. Bloos ersetzt, der sich aber nach Angabe von Stahringer als leitender Arzt nicht eignete, in jeder Beziehung anmaßend und undiszipliniert war. Er behandelte die Gäste falsch und verursachte, dass welche sofort wieder abreisten, so dass deren Zahl rapide abnahm. Sie betrug zeitweise nur noch die Hälfte von vorher. Auch der neue Geschäftsführer R. Schenk war ungeeignet und hatte die Anstalt verdrecken und verkommen lassen. Beide mussten für ein hohes Entgelt vorzeitig entlassen werden. Zwischenzeitlich übernahm Stahríngers Bruder Fridolin die Geschäftsführung.

Das Waldsanatorium „Bad Grüna“ und sein Ende 

In den Jahren 1904/ 05 wurde von der Aktiengesellschaft der Versuch unternommen, das Sanatorium wieder auf die wirtschaftliche Höhe wie vorher zu bringen. Man begann man das ganze Heim zu renovieren. Es wurde der Speisesaal vergrößert und später der Umbau der Baderäume in Zellenräume vorgenommen. Im Jahr 1905 kaufte man eine knapp 40000m große Waldfläche für die Kurgäste im Sanatorium dazu.

Da das Sanatorium in den zurückliegenden Jahren nicht so gut vorangekommen war, wurde Stahringer von der Aktiengesellschaft gebeten, ab 1. April 1905 nochmals die wirtschaftliche Leitung vertraglich auf zwei Jahre zu übernehmen. Die Eröffnung des sog. „Waldsanatoriums“ erfolgte im Jahre 1905 an einem Pfingsttag im Restaurant „Bad Grüna,“ dem früheren Schützenhaus. Die Veranstaltung – so wird erwähnt - bot „Vorzügliches“ und „man erfreute sich eines regsten Besuches.“

Nachdem bekannt wurde, dass Stahringer das Sanatoriums übernommen hatte, erhöhte sich nochmals kurzzeitig die Besucherzahl - in der Grünaer Jahreschronik 1905 wird euphorisch sogar von einem „ganz bedeutenden Aufschwung“ berichtet. Sie erreichte immerhin über 1300 Kurgäste.

Trotzdem konnte in den nachfolgenden Jahren ein weiterer starker Rückgang der Kurgäste nicht verhindert werden, was letztlich vor allem auf den Weggang der beiden ausgezeichneten Ärzte Dr. Ottmer und Dr.Schultze und die Nachfolge unfähiger Ärzte sowie auf die schlechte Leitungstätigkeit im Sanatorium zurückzuführen war.

1907 endete vertragsgemäß die Tätigkeit Stahringers in Grüna. Er zog mit seiner Familie nach Dresden. Die wirtschaftliche Leitung des Sanatoriums übernahm W. Reppert, der Aufsichtsratsvorsitzende der Aktiengesellschaft. In dem Jahr hatte man noch zur Unterhaltung der Kurgäste einen „Reunions“-Verein mit 45 Mitgliedern, darunter Fabrikbesitzer, Händler und andere reiche Gewerbetreibende vorwiegend aus Grüna, gegründet. Die Zahl der Kurgäste war 1907 unter 50% zurückgegangen.

Als nachfolgender leitender Arzt war Dr. Dahms angestellt worden. Er versuchte mit Magerkuren und durch Fasten die Kurgäste zu kurieren. Die ungeeignete Behandlung der Gäste sprach sich herum. Patienten reisten vorzeitig ab und empfahlen das Sanatorium nicht weiter. Die Besucherzahl sank in den Jahren 1908/9 weiter bis zur Unrentabilität. Ein finanzieller Zusammenbruch drohte. Es nützte auch nicht mehr, dass man am 12.2.1909 nochmals intensiv für das Waldsanatorium warb. Der Konkurs war unvermeidlich geworden.

Stahringer wurde durch den Niedergang seines Sanatoriums seelisch zermürbt und krank. Er hatte den Verfall mit ansehen müssen, ohne dabei eingreifen zu können. Für ihn fand sich kein Arzt, der helfen konnte. Er verstarb in Dresden am 20. Oktober 1909 im Alter von erst 57 Jahren und wurde in Chemnitz auf dem städtischen Friedhof, Reichenhainer Straße beigesetzt.

Nach dem Abgang Dr. Dahms im Jahre 1911 übernahm als letzter Arzt Dr. Mosler kurzzeitig die Leitung des Sanatoriums. 1912 erfolgte der finanzielle Zusammenbruch. Erst 1913 wurde der Konkurs angemeldet. Die überaus erfolgreiche Entwicklung Stahringers Naturheilanstalt war zu Ende gegangen.

Die heutigen Reste aus der vergangenen Zeit:

Von den am Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Gebäuden der Naturheilanstalt besteht heute nur noch das einstige Kurhaus. Es war um die Jahrhundertwende um ein Stockwerk erhöht worden. Das frühere Schützenhaus, ab 1898 mit Restaurant „Bad Grüna“ bezeichnet, danach als Forsthaus Grüna bekannt, existierte bis 1997 und wurde durch das heutige wesentlich größere Gebäude ersetzt.

Weitere dazugehörige Gebäude, wie das Haus „Margarete“ und die vorwiegend aus Holz hergestellten Kur- und Wandelhallen wie auch die Lufthütten des „Eldoradoparks einschließlich Umfriedungen sind nicht mehr vorhanden.

Quellen: u.a.

  • Stahringer, Fritz: Leben u. Wirken meines Vaters Bertrand Stahringer, Gründer der Naturheilanstalt. Hierzu gibt es zwei Dokumente (beide mit Tagebuchaufzeichnungen bezeichnet und annähernd gleichen Inhalts). Beide wurden möglicherweise als Vortragsmanuskripte Frühjahr 1961 in Zusammenarbeit mit Carl May benutzt.

  • StadtA Chemnitz, Grüna, 01 Nachlass Strohbach, Horst: Chronik des Feierabend- und Pflegeheimes des Kreises Karl-Marx-Stadt/Land in Grüna 1965, Sign. 92

  • Chroniken d. Parochie Grüna v. 1892 – 1909

  • Jütte, Robert: Geschichte der Alternativen Medizin, Verlag C.H. Beck, München 1996

(Der Beitrag wird mit der Entwicklung des Gebäudes in der Zeit von 1913 bis 1945 bzw.1952 fortgesetzt.)

Christoph Ehrhardt, Ortschronist

Dieser Arikel stammt aus dem Ortschaftsanzeiger Grüna / Mittelbach August 2018

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