Im Gespräch: Werner Gerlach

Werner Gerlach war wichtiger Ansprechpartner

„Ich hatte viel Glück in meinem Leben“, das sagte uns Werner Gerlach mehrfach, als wir ihn Anfang August im DRK-Alten- und Pflegeheim in Limbach-Oberfrohna besuchten. Er meint damit nicht nur, dass es ihm nun wieder besser geht, wenn auch mit einem Rollator für mehr Sicherheit beim Gehen. Und er kann mit seiner Hilde, die auf einer anderen Station im gleichen Haus betreut wird, tagsüber zusammen sein.

Der letzte Bürgermeister zu DDR-Zeiten in Grüna wusste, dass wir mit ihm über sein Leben, seinen Einsatz für Grüna und die Ereignisse 1989/1990 in unserer Gemeinde, die er mit beeinflusst hat, sprechen wollten.

 

Im April 1930 in Grüna geboren, beendete er nach der 8. Klasse die Schule und lernte in Chemnitz Gürtler. „Ich war in den letzten Kriegsmonaten erst 14/15 Jahre alt, das war mein Glück. Denn sogar 16jährige wurden noch zur Wehrmacht eingezogen – und viele Familien trauerten dann um ihre Söhne. Später war ich zu alt, als die NVA gegründet wurde. Als Helfer der Volkspolizei mit Einsätzen u.a. bei Sportveranstaltungen wie der Friedensfahrt brauchte ich auch nicht zur Kampfgruppe. Ich hatte nie eine Waffe in die Hand – eben Glück gehabt.“

Stolz war Werner Gerlach, als er den Meisterbrief des Gürtlerhandwerks in den Händen hielt und im VEB Leuchtenbau Lengefeld als Leiter der Objektabteilung im November 1955 eingesetzt wurde. Auf eigenen Wunsch kehrte er zu Jahresbeginn 1957 nach Grüna zurück. Hier warteten Ehefrau Hilde und Töchterchen Eva auf ihn. Nach kurzer Zeit bei der Staatlichen Güteinspektion begann seine langjährige berufliche Tätigkeit in Limbach-Oberfrohna. In dem Gebäude in der Sachsenstraße 3 befindet sich jetzt das Esche-Museum. Er war angestellt bei der Großhandelsgesellschaft Technik des Bezirkes Karl-Marx-Stadt zuletzt als Branchenleiter Beleuchtungskörper. An der Volkshochschule holte er den Abschluss der 10. Klasse nach, um an der Fachschule für Binnenhandel Dresden im vierjährigen Fernstudium 1965 den Abschluss als Handelswirtschaftler mit gut zu schaffen.

Der damalige Grünaer Bürgermeister Erich Vollwerk suchte 1979 dringend einen Stellvertreter für Planung. Dieses Angebot trug er auch an Werner Gerlach heran, der immer wieder Pro und Kontra abwägte. Es fiel ihm nicht leicht, die 15 Frauen und fünf Männer seines mehrfach als  „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ ausgezeichneten Limbacher Teams zu verlassen und seinen angestammten Beruf gegen Verwaltungtätigkeit zu tauschen. Andererseits war da der verlockend kurze Arbeitsweg. Nach Limbach fuhr er meist mit dem Fahrrad, auch bei schlechtem Wetter. Auch familäre Gründe spielten eine Rolle bei der Entscheidungsfindung. Sein Fachschulabschluss und die Kenntnisse in der Menschenführung waren auch gute Voraussetzungen für die verantwortungsvolle Tätigkeit in einer Kommune. Vor den auf ihn zukommenden Weiterbildungsmaßnahmen fürchtete er sich nicht. Er entschied sich für Grüna.

Mit Handel und Versorgung befasste sich der zweite stellvertretende Bürgermeister Kurt Walther und nach ihm Armin Baum (beide DBD), dessen Einsatz für Grüna ihm Anerkennung der Bürger brachte. Die anderen Probleme landeten auf dem Schreibtisch von Werner Gerlach, einschließlich der Vertretung des Bürgermeisters im Krankheitsfall.

Als wir Werner Gerlach fragten, ob er in seiner neuen Tätigkeit glücklich war, atmete er tief durch.  „Da hatte ich schon oft mal die Schnauze voll, kam oft ins Grübeln, was denn getan werden könnte. Meine Frau musste mich dann beruhigen, sie arbeitete ja auch in der Gemeinde und konnte mich verstehen.“

Und Probleme hatte Werner Gerlach genug: Personalmangel in öffentlichen Einrichtungen, Versorgungsprobleme, Verfall der Bausubstanz, Umweltschluderei.  Er erinnerte sich an Episoden, die ihm schlaflose Nächte bereiteten.

„Unser schönes großes Sommerbad in Grüna – und kein Bademeister! Auf mein Bitten und Betteln hin half dann Mario Lorenz. Die Wasserqualität war nur durch ständige Chlorgaben aufrecht zu erhalten, die Toiletten hinter dem Planschbecken waren im Grunde genommen untragbar,  Für die riesige Liegewiese hatten wir nur einen Rasenmäher – Schnittbreite 40 cm.   Und doch haben wir es geschafft:  Die Kinder hatten während der Ferienspiele ihren Spaß. Objektbegehungen fanden statt, Protokolle wurden geschrieben, geändert wurde kaum etwas.

Oder der Schuttplatz vom Oberen Gasthof über die Bahnschienen Richtung Landgraben. Was da alles abgekippt wurde, weiß keiner, Umweltschutz war noch ein Fremdwort. Was verwertbar war an Metallen, das wurde von findigen Privaleuten geborgen. Mit dem Handwagen oder Autoanhänger voller Müll bis an den Rand der Kippe fahren? Warum so weit? So wuchs der Schuttplatz häufchenweise in die Breite. Erst der Einbau einer Schranke an der Gartenanlage Frischgrün stoppte die Entsorgungsflut.

Unterstützung vom Rat des Kreises – Fehlanzeige. „Mit Schwarzgeld haben wir Fahrer und Technik aus Limbach bezahlt, um mit einem Schiebeschild etwas für Sicherheit und Ordnung zu sorgen.“

Ganz schnell musste gehandelt werden als der Hilferuf vom Ernst-Friedemann-Heim kam. Überraschend war durch Krankheit kein Personal mehr da. Eine Schwester für alle Patienten, die ja medizinisch und hygienisch versorgt werden mussten, das ging gar nicht. „Ich weiß noch, dass Katja Klünder, die in medizinischer Ausbildung stand, und noch eine weitere Aushilfskraft sofort zur Stelle waren. Sie haben die Patienten – und mich – nicht im Stich gelassen.“

Mit den 70 gemeindeeigenen Häusern und den Anfragen der anderen Hauseigentümer gab es auch genügend Aufregung. Wasserspülung? 1987 waren knapp 500 von insgesamt 2200 Wohnungen in Grüna mit WC ausgestattet. Die meisten Häuser hatten Sammelgruben, und wenn diese undicht wurden und die Jauche auslief… Heute ist das nicht mehr vorstellbar: Klobecken waren Mangelware, sie gab es nur auf Bezugsschein vom Großhandel. „Da habe ich schon Einwohner verärgert, wenn ich Nein sagen musste, weil das bisherige doch noch in Ordnung war. Ständige Themen waren fehlende Wohnungen, Beseitigung von baulichen Mängeln sowie Modernisierungsmaßnahmen.“

Werner Gerlach empfindet es in seiner Erinnerung noch jetzt als wohltuend, wenn er Bürger traf, denen er helfen konnte und die ihm dies nicht vergessen haben.

Die 725-Jahrfeier in Grüna im Jahr 1988 wurde unter seiner Regie als amtierender Bürgermeister vorbereitet – auch ein Kraftakt, der ein schöner Erfolg wurde und ein Fest, an das sich ältere Grünaer noch gern erinnern.

Vor allem die Hemmnisse spielten auch in den Gesprächen im Herbst 1989 eine wesentliche Rolle, so zum Einwohnerforum am 16. November 1989 im größten verfügbaren Raum Grünas, der Kirche. Trinkwasserqualität, Kanalbau und Abwasserbeseitigung, der Schadstoffausstoß aus Heizungsanlagen wurden hinterfragt, Forderungen nach dem Aufbau mittelständischer Betriebe, nach einem offenen Dialog auf allen Ebenen, nach Reformen und radikalen Veränderungen und nach Absetzung der Bürgermeisterin K. wurden laut. Werner Gerlach blieb der wichtigste Ansprechpartner, zumal er nach der Abberufung der Bürgermeisterin durch den Rat des Kreises und nach mehr als zehnjähriger Tätigkeit als Stellvertreter im März 1990 zum Bürgermeister berufen wurde.

 „Ich habe in der Wendezeit keine persönlichen Anfeindungen erlebt. Mir konnte keiner vorwerfen, dass ich mir Eigentum illegal ausgereister Bürger angeeignet hätte. Selbst Sprecher des Neuen Forum mussten zugeben, dass die örtlichen Organe nur entsprechend der Planvorgaben handeln konnten. Die Gespräche zu Einwohnerversammlungen und am Runden Tisch waren sachlich, wenn es um praktische Dinge ging. In Vorbereitung der ersten freien Kommunalwahlen am 6. Mai 1990 haben mich mehrere aufgefordert: Kandidiere doch, du wirst in Grüna geachtet. Dem Werner Gerlach hätte man möglicherweise die Stimme gegeben, aber als Mitglied der SED/PDS wäre ich chancenlos gewesen. Zum Zeitpunkt der Wahl war ich 60 Jahre alt. Die inzwischen gegründete Freie Wahlgemeinschaft Grüna e.V. trat mit Gerhard Traetz als Kandidaten zur Wahl an.“

Die Freien Wähler erhielten die meisten Stimmen, Gerhard Traetz wurde Bürgermeister und beeinflusste mit seinen Fachkenntnissen von Großbaustellen die Entwicklung des Gewerbegebietes, des Wohngebietes „Am Hexenberg“, den Bau kommunaler Wohnungen.

Im Ruhestand befand sich Werner Gerlach aber nicht, er blieb im Rathaus. Er war monatelang mit der „Abwicklung“ beschäftigt, also mit Rückforderungen von Eigentum, das nach dem Krieg oder während der DDR-Zeit bei der Umwandlung in volkseigene Betriebe enteignet wurde bzw. nach der illegalen Ausreise beschlagnahmt worden war. Als Ortskundiger landeten viele Forderungen auf seinem Tisch. Er hat Akten gewälzt und Zuarbeiten an das Landratsamt zur Entscheidungsfindung geliefert.

Seit gut 20 Jahren genießt Werner Gerlach sein Rentnerdasein, zuerst natürlich auch mit Reisen überall hin. Das geht nun nicht mehr. Auch das eigenständige Leben in seinem Wohnhaus in Grüna war nicht mehr zu bewältigen. Wieder haben er und seine Frau Glück gehabt, da sie relativ schnell gemeinsam im DRK-Pflegeheim Limbach-Oberfrohna aufgenommen werden konnten. Werner ist dem Personal dankbar, dass sie beide so gut umsorgt und betreut werden.

Viel Freude bereiten ihm auch seine Kinder mit Familien. Sohn Torsten ist Lehrer für Mathematik und Physik am Gymnasium in Siegburg (bei Bonn), seine Tochter ist Beamtin im Jugendamt in Berlin.

 

Die Gesprächspartner Bernd Hübler und Gerda Schaale wünschen Werner Gerlach noch viele Jahre geistiger Frische und bestmögliches Wohlergehen!

gruena-online.de

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